Flüchtlinge 1

„In Bonn sah es damals aus wie heute in Aleppo.“

Von Laura Geyer

Fifi war der Star des Tagesausflugs nach Bonn, zu dem die Flüchtlings-Initiative „Willkommen in Schildgen“ vergangenes Wochenende eingeladen hatte. Der 18-jährige Mussa* kümmert sich regelmäßig um den Hund eines deutschen Freundes, und da der geschäftlich unterwegs war, nahm er Fifi mit. 26 Geflüchtete und 15 Ehrenamtler nahmen an dem Ausflug teil, finanziert aus einer Spendenaktion des Begegnungs-Cafés Himmel un Äad sowie Zuschüssen des Erzbistums Köln. Und nicht nur die neuen Schildgener lernten dabei so einiges über die deutsche Geschichte.

Samstagmorgen, 10 Uhr. Verschlafene Gesichter, schüchternes Lächeln. Die meisten kennen sich, die anderen stellen sich, zaghaft Hände schüttelnd, vor. Nur Fifi hat keine Scheu. Schon in der S-Bahn legt er seinen Kopf in verschiedene Schöße und wird reihum gekrault.

Im Bonner Hauptbahnhof angekommen, richten sich alle Augen auf die Organisatorinnen: „Wohin geht es jetzt?“ Ehrenamts-Begleiterin Margret Grunwald-Nonte und Sabine Gresser-Ritter aus dem Leitungsteam der Flüchtlingsinitiative behalten die Ruhe und den Überblick.

Am Haus der Geschichte treffen wir eine Stadtführerin, die uns das Regierungsviertel zeigen soll. Doch zunächst einmal nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit: 1945, der Krieg ist vorbei, Deutschland unter den Siegermächten aufgeteilt. Die Gruppe ist mucksmäuschenstill. „In Bonn sah es damals aus wie heute in Aleppo.“ Einige nicken. „Wenn ich zu schnell spreche, melden Sie sich“, sagt sie. „Alles gut“, schallt es zurück. Die Stadtführerin erzählt, wie der Parlamentarische Rat 1948 zusammenkam, um das Grundgesetz zu schreiben. Und dass der Rat aus 61 Männern und vier Frauen bestand.

Von der U-Bahn-Station aus laufen wir gut eineinhalb Stunden durch Bonn. „Hier hat Frau Merkel ihren zweiten Regierungssitz“, sagt die Stadtführerin am Palais Schaumburg. Mehrere Flüchtlinge nicken wissend. Und lachen, als sie hinzufügt: „Konrad Adenauer hat die ersten Monate seiner Amtszeit im Museum König zwischen ausgestopften Tieren regiert.“

Auf dem Weg entstehen Gespräche. „Wie heißt du?“, fragt mich ein junger Mann. „Laura, und du?“ „Yemane.“ Er erzählt, dass er in Eritrea nur wenige Jahre zur Schule gehen konnte. Jetzt lernt er intensiv Deutsch, um nächstes Jahr eine Ausbildung zu beginnen: „Ich möchte Autolackierer werden.“ In einem Gladbacher Betrieb kann er ab Mitte des Monats schon mal in den Beruf reinschnuppern.

Jemand tippt mir auf die Schulter. „Kannst du ein Foto von uns machen?“ Syrer, Eritreer, Iraker posieren immer ausgelassener vor meiner Kamera und freuen sich über die entstandenen Bilder, ob sie Anfang 20 sind wie Yemane oder 60 wie Hassan. Der Syrer hat seine Tochter dabei, die schon perfekt Deutsch spricht. So weit ist Hassan noch nicht, aber er kann genauso gut Witze erzählen wie über den Krieg in seiner Heimat diskutieren. „In Syrien war ich Maschinenbau-Ingenieur. Hier kann ich vielleicht noch fünf Jahre als Mechaniker arbeiten, bevor ich in Rente gehe“, sagt er und lacht.

Nach der Führung fahren wir mit dem Schiff zurück nach Köln. „Das war sehr interessant“, sagt Najm. Mehrere Ehrenamtler nicken: „Wir haben auch einiges gelernt, was wir noch nicht wussten.“ Fifi fegt von Teilnehmer zu Teilnehmer, bis seine Leine um alle Tischbeine gewickelt ist. Macht nichts, sie wird von der einen zur anderen Seite durchgereicht, bis Fifi frei ist.

Erst im Gemeindehaus der Schildgener Andreaskirche wird unser kleiner Begleiter müde. Nicht nur er: Alle sitzen erschöpft an den Tischen. Das Essen – geliefert von einem syrischen Caterer – kommt genau zur richtigen Zeit und ist ratzfatz verputzt. Ein letztes Selfie mit Fifi! Doch der ist längst auf Mussas Schoß eingeschlafen.

*Die Namen der Geflüchteten wurden von der Redaktion geändert.